Das Friedrich-Flick-Gymnasium (FFG) wurde am 6.11.2008 in Städtisches Gymnasium Kreuztal (SGK) umbenannt, diese Seite gehört daher zu dem Teil unserer Homepage, der quasi konserviert und deshalb nicht mehr aktualisiert wird. Sie können hier den Namensstreit nach verfolgen.
Der emotionale Streit um den Namen einer Schule
Friedrich Flick unterzeichnete am 20.12.1968 eine Stiftungsurkunde, mit der er der Stadt Kreuztal 3 Millionen DM zum Bau eines Gymnasiums übertrug. Zwar gibt es dazu heute auch anders lautende Äußerungen, aber die damaligen Kommunalpolitikern vertraten die Ansicht, dass sich die Stadt ein Gymnasium nicht hätte leisten können. Deshalb trat man an Flick heran und bat um eine finanzielle Zuwendung, die von fünf Einzelunternehmen seiner Firmengruppe geleistet wurde. Flick hat also nie persönlich Geld gespendet, sondern seine Unternehmen (in diesem Fall: Buderus, Dynamit-Nobel, Feldmühle, Maxhütte und die Norddeutschen Papierwerke) angewiesen, steuerlich absetzbare Zuwendungen auszuzahlen. Den damaligen kommunalen Größen reichte dies um Flick die Ehre zu erweisen und das Gymnasium Friedrich-Flick-Gymnasium zu nennen. Beim Bau des Schulzentrums sei man schließlich von vielen Firmen des Flick-Konzerns förmlich überlaufen worden, mit der Bitte, in der Auftragsvergabe ihre Produkte zu berücksichtigen (siehe Protokoll aus dem Jahr 1981). So wurde u. a. das Flachdach der Schule mit einer Spezialfolie aus einer Flick-Firma gebaut, die ursprünglich nicht verwendet werden sollte und sich im Nachhinein auch als teure Fehlinvestition erwiesen hat. Das Flachdach der Schule musste mit Steuergeldern jahrelang nachgebessert werden.
Wohl auch die so genannte Flick-Affäre (siehe z. B. "Flick-Affäre" (Wikipedia)) war es, die in den 1980ern immer mehr
Menschen kritische Nachfragen zur Person Friedrich Flicks stellen ließ. Die inzwischen in den Stadtrat eingezogenen Grünen stellten 1984 den Antrag auf Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Friedrich
Flicks und scheiterten: bis auf ihre drei Stadtverordneten stimmten die Fraktionen von SPD, CDU und FDP weiterhin für eine Ehrenbürgerschaft Flicks. Der CDU Fraktionsvorsitzende erklärte sogar: Die
Stadt Kreuztal habe das Ehrenbürgerrecht 1969 durch Beschluss bestätigt, und zwar in voller Kenntnis der geschichtlichen Persönlichkeit Dr. Flicks (siehe Protokoll aus dem Jahr 1984).
Auch in der Schülerschaft des Friedrich-Flick-Gymnasiums wurden in der Folgezeit kritische Nachfragen zum Namensgeber laut. Der damalige Direktor der Schule beschimpfte die Störenfriede als
„dumm“ und „nicht an diese Schule gehörig“. Eine kritische Diskussion, wie man sie von Angehörigen eines Gymnasiums erwarten würde, war offenbar nicht erwünscht. Auch auf einen entsprechenden Artikel
in der Abizeitung des Jahrgangs 1987 reagierte die Schulleitung mehr als empfindlich. Als die Schülerzeitung berichten wollte, stand der Vorwurf der Zensur stand im Raum.
Am 5. Mai 1988 wurde im Kreuztaler Stadtrat schließlich der Antrag der Grünen-Fraktion behandelt. Sie beantragten das „Friedrich-Flick-Gymnasium“ in „Städtisches Gymnasium“ umzubenennen und diesem
nach Einbeziehung der Kreuztaler Bevölkerung einen neuen, geeigneten Namen zu geben (siehe Antrag aus
dem Jahr 1988). In geheimer Abstimmung wurde der Antrag schließlich abgelehnt: Es gab 16 Stimmen für und 29 gegen eine Umbenennung. SPD und Grüne zusammen, hätten mit 26 Stimmen zum damaligen
Zeitpunkt eine Mehrheit aufbringen können. Noch heute "schmückt" ein Porträt des Namensgebers den Eingangsbereich des Lehrerzimmers im Flick-Gymnasium, Schülern und Lehrern zum Vorbild?
Im November 1994 fand zum 25-jährigen Jubiläum der Schule eine „Geschichtswerkstatt“ statt. Von den mehr als 20 Projekten befasste sich eines mit dem Thema „Flick, das dritte Reich und Kreuztal“,
geleitet von zwei Lehrern, die bekanntermaßen stets gegen eine Umbenennung der Schule waren. Zum Abschluss dieser Geschichtswerkstatt kam Ignaz Bubis, der inzwischen verstorbene Vorsitzende des
Zentralrats der Juden in Deutschland, nach Kreuztal und nahm Stellung zur Namensgebung der Schule. Bubis, der einst selbst als KZ-Häftling in einem Flick-Betrieb arbeiten musste, zeigte sich
betroffen über die Begründungen, die gegen eine Namensänderung vorgetragen wurden (siehe Bericht der WR vom 12.11.1994). Der neue Rektor der Schule hatte in einem öffentlich gewordenen SPD-internen Thesenpapier u. a. die Vorbildfunktion des Namensgebers einer Schule in
Abrede gestellt: Niemand schicke sein Kind schließlich „auf eine Ernst-Moritz-Arndt-Schule, damit es Franzosen hassen lernt“ und niemand „auf eine Goethe-Schule, damit ein Dichterfürst (und
Weiberheld) daraus wird“. Auch die Begründung Flick habe seine Kriegsverbrechen mit dem (Teil-)Entzug seines Vermögens und einer Freiheitsstrafe verbüßt mochte Bubis nicht gelten lassen: „Aber das
heißt doch nicht, daß ich gleichzeitig eine Verehrung daraus mache.“
Immer mal wieder versuchen einige „Unverbesserliche“ eine Debatte über die Namensgebung anzustoßen und auch die Umstände der geheimen Ratsabstimmung von 1988 zu beleuchten. Denn immerhin hatte sich die SPD in einer Probeabstimmung mehrheitlich für eine Namensänderung ausgesprochen. Der „Stachel der im Fleisch bleibt“, wie es der damalige und heutige SPD-Fraktionschef, ein Gegner der Namensgebung, nennt. Anlass genug, heute fast 40 Jahre nach Gründung der Schule und 20 Jahre nach der Diskussion um den Namen des Gymnasiums bei den damaligen Ratsmitgliedern nachzufragen. Und tatsächlich, der Stachel ist geblieben, so war ein Ergebnis der Telefonate, wie ein lokaler Journalist berichtet, dass den betroffenen Protagonisten der Schweiß auf der Stirn stand, alte Rivalitäten immer noch erkennbar waren und allein dieses vorsichtige Nachfragen zu einer heftigen Reaktion im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung kam. Zwanzig Jahre später!
Die Reaktionen auf Berichte über eine neuerliche Beschäftigung mit Flick und die neuen wissenschaftlichen Veröffentlichen zeigen: Das Thema wird nach wie vor sehr emotional und persönlich bisweilen
auch aggressiv diskutiert. Der Debatte scheint es an Sachlichkeit zu mangeln. Immer wieder wird behauptet, man könne aus rechtlichen Gründen den Namen nicht ändern. Die Grünen veranlasste das zu
einer umfangreichen Anfrage (siehe Anfrage aus dem Jahr 2008), die CDU erklärte jede
Diskussion um den Namen zu "vereiteln" (siehe Bericht der WR vom 22.2.2008).
Eine öffentliche und sachliche Diskussion scheint entweder immer noch nicht gewollt zu sein oder die Protagonisten sehen sich dazu einfach nicht in der Lage. Eine klare Aussage zum Namen des
Gymnasiums macht außer einer Ratsfraktion keine politische Gruppierung: Mutlos und feige schiebt man stattdessen die Verantwortung auf die Schule und die Schule wiederum auf die Stadt als
Schulträger. Man müsse auch die guten Seiten von Herrn Flick sehen, hieß es am Telefon von ehemaligen Stadtverordneten, und es sei „primitiv, nur auf die Zeit des Nationalsozialismus einzugehen“.
Gegenüber ihren Hinterbänklern sehen das damals führende CDU-Ratsmitglieder durchaus etwas differenzierter. Aber was soll man dazu sagen, wenn ein damaliges SPD-Ratsmitglied meint, es sei doch in der
deutschen Vergangenheit alles gar nicht so schlimm gewesen wie es immer wieder dargestellt werde?
Flick ist kein Vorbild. Es ist an der Zeit, dass eine Stadt aus ihren Fehlern lernt und offensiv damit umgeht.