Leserbriefe
Die Diskussion wird natürlich auch "offline" geführt. Nachfolgend dokumentieren wir daher einige Leserbriefe, die in den Lokalmedien veröffentlicht wurden. Aus verschiedenen Gründen ist die Liste der Leserbriefe nicht vollständig, sollten Sie hier auch etwas veröffentlichen wollen genügt eine Email an: mail@flick-ist-kein-vorbild.de
Leserbrief von Christiane Natusch (29.10.2008):
Wer am 27.10.2008 die Siegener Zeitung aufschlägt, kann nur mit dem Kopf schütteln: Neben dem Bericht über eine Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Un-Menschenrechtserklärung (10.12.1948) finden
sich gleich drei Leserzuschriften, die diejenigen, die sich kritisch mit dem Kreuztaler Flick-Erbe sowie der Schulnamensgebung auseinandersetzen, als "Gutmenschen" diffamieren, die Debatte selbst als
"Schwachsinn" brandmarken, das Nürnberger Kriegsgericht als "Siegerjustiz" diskreditieren und Flick selbst als einen Mann darstellen, der gar nicht anders konnte, als Zwangsarbeiter in seinen
Betrieben einzusetzen, der darüberhinaus ein erfolgreicher Unternehmer ("der im Siegerland die Schornsteine rauchen ließ") und großzügiger Sponsor war und gewiss kein Kriegsverbrecher. Was für eine
unverantwortliche Geschichtsklitterung!
Die Deklaration der Menschenrechte vor 60 Jahrenwar (auch) eine Antwort der Völkerfamilie auf die von den Nationalsozialisten und ihren Helfershelfern und Nutznießern angerichteten Verbrechen gegen
die Menschlichkeit - so etwas sollte nie wieder geschehen. Und nun liest man seit Wochen wortreiche Lobreden augerechnet auf einen, der im Windschatten des NS-Regimes auf dem Weg zum eigenen Erfolg
"über Leichen ging" (so wörtlich Prof. Wixford, der - gesponsort von der Familie Friedrich Flicks! - den Pakt Flicks mit den Nazis erforscht hat). Da bleibt einem doch die Spucke weg.
Leserbrief von Regina Zwingmann (veröffentlicht in der WR vom 14.10.2008) und zugleich Schreiben an alle Kreuztaler Ratsmitglieder:
Bislang habe ich mich - wie wahrscheinlich die meisten Kreuztaler auch - oft um eine öffentliche Stellungnahme zum jetzigen Namen des Kreuztaler Gymnasiums gedrückt. Auch bei Leuten, die man
ansonsten sehr schätzt, muss man nämlich damit rechnen, dass es plötzlich heftig, unsachlich und eventuell auch persönlich wird. Das verstört, denn es tun sich so quer durch Nachbarschaften und
Bekanntenkreise regelrechte Gräben auf.
Angesichts der nun anstehenden Entscheidung des Rates der Stadt Kreuztal über eine Umbenennung des Gymnasiums halte ich es jedoch für wichtig, dass wir Kreuztaler Stellung beziehen. Denn - wenn alles
schweigt - wie sollen unsere Vertreter ein Gefühl dafür bekommen, wie die Stimmung im "Volk" ist, das sie ja schließlich vertreten?
Deswegen:
Liebe Ratsfrauen und Ratsherren: Ich möchte, dass Sie sich dafür einsetzen, dass das Kreuztaler Gymnasium seinen Namen ablegt.
Ich möchte das, damit wir ein Vorbild sind. Das sind wir, wenn wir uns mutig dem möglicherweise schmerzhaften Prozess stellen, eine einmal getroffene ungute Entscheidung zurück zu nehmen. Dass die
Entscheidung für den jetzigen Namen des Gymnasiums eine ungute war, begründet sich übrigens nicht allein auf der Tatsache, dass wir es bei Herrn Flick mit einem verurteilten Kriegsverbrecher zu tun
haben. Schon allein wegen seines wirtschaftlichen und wohl auch machtpolitischen Engagements halte ich Friedrich Flick für nicht wünschenswert als Namensgeber einer Schule.
Die Bilanz, die die Entscheidung gegen den Namen hätte, würde meines Erachtens nur Gewinner zeigen: mindestens die Schule, weil endlich Ruhe einkehren würde, die Stadt Kreuztal, weil ihr öffentliches
Ansehen nicht mehr durch diese Debatte bestimmt werden würde und die Nachbarschaften und Bekanntenkreise, in denen sich zur Zeit Gräben auftun. Verlierer sehe ich keine.
Leserbrief von Uta Meiß an die SZ (gekürzt veröffentlicht am 17.10.2008):
Der Flick-Konzern und der Nationalsozialismus
Zum Leserbrief „Flick kein Verbrecher“ von Horst Heimann (SZ 04.10.08)
Ich bin zwar keine „68-erin“, aber eine „63-igerin“, eine in dem Jahr Geborene, in dem diese Bundesrepublik es sich nicht nehmen ließ, einem der größten Profiteure des von den Nationalsozialisten initiierten Rüstungsbooms mit anschließendem Kriegs- und Vernichtungshandeln, das große Bundesverdienstkreuz am Bande zu verleihen. Auch die Stadt Kreuztal ließ es sich nicht nehmen, diesen Mann zu seinem Ehrenbürger zu ernennen. Alles hat seinen Preis, aber manchmal ist der Preis einfach zu hoch! Wie kommt es, dass Herr Heimann schreibt, Friedrich Flick sei kein Verbrecher gewesen? Wie sind die Gedanken zu verstehen, dass Friedrich Flick ein „Wirtschaftskapitän“ sei, er ein „Wirtschaftsimperium“ aufgebaut habe bei gleichzeitig legendär beschriebener persönlicher Bescheidenheit und seine Arbeitnehmer ihn „in guter Erinnerung“ hätten? Jedem wissenden Leser in Sachen Flick macht sich Fassungslosigkeit über so viel Verleugnung und/oder Unwissenheit breit, die Entscheidung für das ein oder andere wäre erst in einem persönlichen Gespräch zu eruieren. Bei Herrn Heimann zeigen sich möglicherweise sehnlichste Wünsche als Väter seiner Gedanken, die Verbrechen der Nationalsozialisten und die, die mit diesen kollaboriert haben, umzuwandeln in einen metaphorischen Bildaufbau von Männern, die etwas selbständig aufbauen, die großzügig Geld spenden, wofür die Geldempfänger schließlich dankbar zu sein haben, die nur schwerlich einer ungerechten „Siegerjustiz“ entkommen sind und mit hochgekrempelten Ärmeln sich gleichsam heroisch wieder aus dem Sumpf ziehen. „Abgehalfterte Professoren“ verblöden gleichsam die „68- er Generation“, die wie die folgenden Generationen auch, einfach nicht verstehen wollen, wer die wirklichen Heroen der deutschen nationalsozialistischen Vergangenheit sind. Die jüngeren Generationsmitglieder sollten sich schämen und sich schuldig fühlen, die nicht in der Lage sind, diese „wahre Kraft der Helden“ zu erkennen und diese entsprechend würdigen zu können. Scheinbar unmerklich verwandeln sich Täter zu Opfern und die Opfer oder auch „Hinseher“ zu Tätern. Dieser Heimann´sche „Bildaufbau“ ist als sein persönlicher Umgang mit der deutschen Vergangenheit zu verstehen und ich hätte mich einerseits gefreut, wenn er diesen für sich behalten hätte. (Aber durch die Veröffentlichung dieser für mich erschreckenden Zeilen, wird sein privates Gedankengut ein öffentliches Dokument, das einige Leser bereits erreicht hat.) Manche Leser würden nach Lesen des Artikels vielleicht denken, dass z.B. die Arbeitnehmer des Flick-Konzerns dankbar gewesen seien und dabei vielleicht nicht wissen, dass Friedrich Flick in großem Stil Sklavenarbeit (Schätzungen gehen von etwa 10.000 Zwangsarbeitern aus) in seinen Betrieben durchführen ließ. (Es muss hier nicht in besonderer Weise ausgeführt werden, wie unmenschlich diese Zwangsarbeiter behandelt wurden.) Auch Zwangsarbeiter waren Arbeitnehmer des „Wirtschaftsimperiums“ oder sagen wir besser Rüstungskonzerns, auch wenn sie es sich nicht aussuchen konnten und in diesen Konzern verschleppt wurden! Diesen Teil unfreiwilliger Arbeitnehmerschaft verschweigen Sie. Die – so wie Sie es formulieren - „Sieger“ im Rahmen der Nürnberger Prozesse haben Friedrich Flick unter anderem wegen dieser Sklavenarbeit, Verschleppung zur Sklavenarbeit, Ausplünderung der besetzten Gebiete und der Teilnahme an Verbrechen der SS zu 7 Jahren Haft verurteilt. An dieser Stelle wären viele, viele Fakten anzufügen, die den Rahmen eines Leserbriefes sprengen würden, aber ich verweise auf das in diesem Jahr im Oldenbourg Wissenschaftsverlag erschienene Buch „Der Flick-Konzern im Dritten Reich“ von Johannes Bähr u.a.(ISBN 978-3-486-58683-1).
Sie sehen, Herr Heimann, ich beschäftige mich gern mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und versuche zu verstehen, wie das Denken und Handeln dieser Zeit weiterhin in uns allen wirkt, in welcher Weise Taten Spuren nicht nur in Städten sondern vor allem in unseren Seelen hinterlassen. Einige dieser Spuren sind Ihrem Leserbrief zu entnehmen, so wie einige aus meinem Leserbrief zu erschließen sind. (Insofern danke ich Ihnen für dieses „Lehrstück“ deutscher Vergangenheitsbewältigung, die uns allen, vor allem aber der jüngeren Generation zu verstehen hilft, warum die Verleugnung von skrupellosen Taten immer wieder neue „Täter in anderem Gewande“ hervorbringt.)
Leserbrief vom 21.9.2008 von Raphael Peter an die Siegener Zeitung (29.9.2008):
An die Redaktion der Siegener Zeitung,
bezüglich des Leserbriefes von Werner Irle, vom Freitag den 19. September, möchte und muss man an dieser Stelle reagieren.
Herrn Irles Brief, der von ihm als „Richtigstellung“ verschiedener Punkte eingeleitet wird, sollte als Appell zur intellektuellen Konfrontation gesehen werden und als Herausforderung, sich in
diese Diskussion einzuschalten.
Herr Irle, der hier anscheinend gegen akademische Arbeit und historischer Fakten das Monopol der Wahrheit seiner Meinung nach besitzt, klärt uns hier auf wie es denn „wirklich war“ und warum die
Diskussion demnach nur populistische Hetze sei.
Dass Herr Irle hierbei eine meiner Meinung nach schmale Grenze zum relativierenden und verharmlosenden Jagon mancher Rechtspopulisten überschreitet, muss betont werden.
Von der skandalösen Beschreibung der Zwangsarbeiter als „verhältnismäßig ordentlich Behandelten“ ist es ein sehr kleiner Schritt zu weiteren Relativierungen.
Herr Flick sei zudem nur ein „kleiner Fisch“ gewesen, schreibt Herr Irle weiter. Auch hier wird wieder aufs Höchste verharmlost.
Denn Herr Flick war einer „der Fische“ wenn vielleicht auch kein „Hai“ wie Eichmann und andere, und hat „vom Schwimmen mit dem Strom“ mehr als profitiert.
Herr Irle sieht die Schuld natürlich bei den Grünen und ihren Pressefreunden, die ganz in 68iger Tradition ihre schändlichen Hetzkampagnen gegen ach so unbescholtene Bürger starten, bei der die
Wahrheit anscheinend auf der Strecke bleibt.
Denn auch angesehene Akademiker fallen laut Herrn Irle auf die von Propaganda zersetzten Archive des ehemaligen Ostblocks herein.
Herrn Irles Argumentation wird hier zur Denunziation gegen akademische Arbeit aufgebaut. Doch die Wahrheit liegt bei Herrn Irle, der das Bild des Friedrich Flick tapfer verteidigt, trotz
überwältigender Beweise.
Dass selbst in einem Buch „Die Geschichte Europas seit dem Zweiten Weltkrieg“ des rennomierten New Yorker Historikers und Europaspezialisten Tony Judt, Friedrich Flick namentlich genannt wird im
Kontext, dass er einer der Industriellen war, der trotz Verurteilung als Kriegsverbrecher, es geschafft hat, sich u. a. bei Daimler Benz wieder zu Ansehen hochzuarbeiten, sollte hier erwähnt
werden.
Wenn Flick selbst in solch einem international anerkannten akademischen Werk zur Gesamtgeschichte Europas nach 1945 negativ erwähnt wird, sollte sich die Frage des Namens des Gymnasiums meiner
Meinung nach von selbst erledigen.
Denn im Rahmen der Europäischen Union, internationaler Zusammenarbeit und der Vorbildfunktion Deutschlands in Fragen der Vergangenheitsbewältigung sollte eine solche Diskussion ein weiteres positives
Beispiel setzen. Es gibt meiner Meinung nach etliche Namen von Menschen, die wirklich Widerstand geleistet haben und dies auch meistens mit ihrem Leben bezahlten anstatt einfach erfolgreich
weiterzumachen, die sich hier anbieten könnten.
Leserbrief vom 14.9.2008 von Uwe von Seltmann an die Westfälische Rundschau (15.9.2008) sowie die Siegener Zeitung (18.9.2008):
Seit vielen Jahren habe ich enge Kontakte in Länder, in denen noch
Menschen leben, die in den Fabriken von Friedrich Flick als
Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden. Wenn ich in Polen oder in der
Ukraine erwähnt habe, dass ich Schüler eines Friedrich-Flick-
Gymnasiums gewesen bin (1974-82), war die Reaktion: ungläubiges
Entsetzen. Niemand konnte verstehen, dass in Deutschland eine Schule
nach einem verurteilten Kriegsverbrecher benannt wird. Ich bin froh
darüber, mein Abitur am Gymnasium Stift Keppel in Allenbach abgelegt
zu haben, so dass ich das Flick-Gymnasium nicht in meinem Lebenslauf
erwähnen muss. Im Übrigen gilt auch für die Diskussion um die
Umbenennung der Schule, die bisweilen auf erbärmlichem Niveau geführt
wird, das Wort des Dichters Hermann Hesse: "Es kehrt alles wieder, was
nicht bis zu Ende gelitten und gelöst ist."
Mit freundlichen Grüßen aus Krakau
Uwe von Seltmann (gebürtiger Müsener)
Journalist und Buchautor
ul. Bożego Ciała 12/5 Blumenstraße 66
PL-31-059 Kraków D-04155 Leipzig
Und Hans-Walter Klein mit "In kalten Krieg zurückgebeamt"
Leserbrief von Dr. Opfermann an die WR vom 12.9.2008 sowie an die Siegener Zeitung (17.9.2008):
Die NS-Erlebnisgeneration ist inzwischen abgelöst durch die Jüngeren, Distanzierteren. Das hat zunächst einmal mit Generationenfolge, nichts mit Parteien zu tun. Die alten Loyalitäten, der alte Griff
auf die Geschichte, das existiert in der über einige Nachkriegsjahrzehnte geübten Weise nicht mehr.
Auch wenn es Jüngere gibt, die das geschichts- und erinnerungspolitische Erbe der 1950er/60er Jahre in weitere Jahrzehnte übernehmen möchten, Generationenfolge, aber auch Wegzug und Zuzug in der
Stadt haben eine inzwischen grundlegend veränderte Situation entstehen lassen. Und auch in den dortigen Parteien, wie zu sehen. Daran ändert es nichts, dass es in den beiden größeren Parteien eine
nach wie vor das flicksche Erbe hochhaltende Restklientel zugunsten des Stadtpatrons gibt.
Im Binnenklima Kreuztals mögen die Stimmführer dieser Gruppe nach wie vor auf Wählerstimmen schielen können, überschreitet man die Stadtgrenzen, gibt es inzwischen niemand mehr, der Flick nicht mit
seinen kriminellen NS-Machenschaften identifiziert und ihn etwa für den guten Mann nimmt, als den ihn diese Restklientel hinzustellen sich bemüht. In einer mitleiderregenden Perspektive übrigens: aus
der Sicht eines Typs von Arbeitmann, der sich ehrfürchtig und mit gesenktem Kopf dankbar die Mütze im Angesichts des Patrons auf die Brust drückt. Ein trauriges Bild äußerster Unterwürfigkeit,
Jahrzehnte nach dessen Tod.
Nicht nur für die Menschen außerhalb der kleinen Stadt, auch für viele Menschen in der Stadt ist der Name, der der Schule (und anderem) angeheftet wurde, indessen nichts als ein Schandfleck. Das
Bekenntnis zu diesem Schandfleck aber macht die Stadt zum Gespött. Er diskreditiert auch die gute Arbeit an dieser Schule.
Und wie kann man davon reden, die Kritik an diesem Schandfleck beschmutze die Stadt? Offenkundig war es Flick selbst, der seinen Namen mit Schmutz überhäufte und gemeinsam mit einigen
kommunalpolitischen Weißwäschern das Problem schuf. Das der Name ist und mit zunehmender Unfassbarkeit bleiben wird - solange er bleibt.
Dr. Ulrich Opfermann
Hofgutstr. 16
57072 Siegen
"...Friedrich Flick in Nürnberg nur ein kleiner Fisch."
Reaktion (erschienen in der WR vom 10.9.2008) zum Leserbrief von CDU-Fraktionschef Werner Müller bzw. zum Bericht "Moralkeule einer Minderheit" in der Siegener Zeitung vom 9.9.2008:
Was soll man davon halten, wenn ein Fraktionsvorsitzender sich mit samt seiner Fraktion einem sachlichen und aufrichtigen Meinungsaustausch im Rat versagt, nun aber über die Medien nicht nur eine
persönliche Stellungnahme abgibt, sondern zugleich viele Unterstellungen und Vorurteile transportiert?
Was soll man davon halten, wenn ein Fraktionsvorsitzender einer Partei, die bereits durch ihren Namen einer spezifischen Wertorientierung Ausdruck verleihen möchte, das ehrliche Bemühen um
Wertorientierung polemisch als „moralische Keule“ diffamiert?
Die Behauptung, dass wir „gar nichts über die Stimmung unserer Väter und Großväter wissen“ und wir uns auch nicht die Mühe machten, darüber nachzudenken, ist infam und ließe sich leicht
widerlegen.
Wir haben von Seiten Bündnis 90/Die Grünen am 02. Juni 2008 Herrn Bürgermeister Biermann vorgeschlagen, möglichst bald ein Gespräch zu initiieren, zu dem neben den Fraktionsspitzen auch die
Vertreter der Lehrer, Eltern und Schüler des städtischen Gymnasiums eingeladen werden sollten. Ziel der Unterredung sollte sein, miteinander im Hinblick auf die derzeitige Diskussion einen Weg zu
finden, den möglichst alle mitgehen können. Herr Biermann hat diesen Vorschlag sehr begrüßt, teilte uns aber wenige Tage später mit, dass er damit in der CDU-Fraktion auf totale Ablehnung gestoßen
sei.
Wir bedauern es, dass zum wiederholten Male die Möglichkeit einer sachlichen und respektvollen Auseinandersetzung verpasst wurde.
Wenn wir nun von einem Fraktionsvorsitzenden, der nach eigenem Bekunden nie wieder mit uns über den Namen der Schule diskutieren möchte, in der Presse mit Unterstellungen konfrontiert werden, sehen
wir uns veranlasst, darauf zu reagieren. In der Fraktion haben wir uns bereits vor geraumer Zeit auf einige uns wesentliche Eckpunkte verständigt:
1. Wir sind der Meinung, dass zwischen der Lebenshaltung und Weltanschauung der namensgebenden Person einer Schule und den pädagogischen, ethischen und weltanschaulichen Zielen
einer Bildungseinrichtung ein hohes Maß an Übereinstimmung erkennbar sein muss.
2. Es geht uns nicht um eine nochmalige Verurteilung einer Person. Friedrich Flick hat sich nicht vor uns zu verantworten, aber wir tragen Verantwortung für das Ansehen einer
Schule, der Stadt Kreuztal und den Bildungsauftrag an den Schülerinnen und Schülern.
3. Wir sind uns bewusst, dass für viele KreuztalerInnen ein Konflikt entsteht, bei der Bewertung des der Stadt verbundenen, vielfältigen Stifters einerseits und der
geschichtswissenschaftlichen Betrachtung seines gesamten Wirkens andererseits. Wir sind allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass die Namensgebung einer Schule die Betrachtung des gesamten Wirkens
voraussetzt.
4. Wir halten den Namen des Kreuztaler Gymnasiums aus diesen Gründen für höchst bedenklich und befürworten eine Umbenennung, unabhängig von etwaigen evtl. geltend zu machenden
Regressansprüchen.
5. Uns liegt es fern, Menschen an den Pranger zu stellen, die in früherer Zeit aufgrund der ihnen damals zur Verfügung stehenden Fakten oder persönlicher Einstellung eine
Entscheidung getroffen haben, die von uns als problematisch angesehen wird. Uns liegt viel daran, dass wir mit allen Verantwortlichen und Betroffenen in ein faires Miteinander zurückfinden und zu
einer sachlichen Diskussion kommen.
Günter Jochum
stellvertr. Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Kreuztal
Leserbriefreaktion (leicht gekürzt erschienen in der WR vom 9.9.2008) zum Leserbrief von CDU-Fraktionschef Werner Müller bzw. zum Bericht "Moralkeule einer Minderheit" in der Siegener Zeitung vom 9.9.2008:
In seinem Leserbrief vom 6.9.2008 trifft der CDU-Fraktionsvorsitzende Werner Müller zahlreiche Aussagen, die nachweislich falsch sind und zeigen, dass er in der Debatte um das
Friedrich-Flick-Gymnasium recht uninformiert agiert:
1. Wundert er sich über die Energie der Debatte, obwohl kein Antrag zur Umbenennung vorliege und weder eine Partei noch die Schule dazu eine Veranlassung sehe. Herr Müller vergisst, dass es sein
CDU-Bürgermeister war, der angekündigt hatte am 11. September eine Abstimmung durchführen lassen zu wollen, der zwischenzeitlich sogar einen Bürgerentscheid befürwortet hat, der eingeräumt hat, dass
die Schule Fehler gemacht hat und der sich einsichtig gezeigt hat, dass der Name des Friedrich-Flick-Gymnasiums keine gute Wahl gewesen ist.
2. Kritisiert Herr Müller nicht in wissenschaftlicher oder politisch-sachlicher Form, sondern in einem Ehr abschneidenden Tonfall die Erkenntnisse wissenschaftlicher Forschung. Er vergisst, dass
sowohl die in Kreuztal vorgestellte Studie zu Friedrich Flick von seinem Enkel finanziert wurde und auch die im kommenden Jahr erscheinende Studie von einer Enkelin Flicks bezahlt wurde. Beide stehen
wohl nicht ernsthaft im Verdacht ihren Familiennamen in den Dreck ziehen zu wollen. Tatsächlich haben sie Millionenbeträge zur Erforschung ihrer zwiespältigen Familiengeschichte investiert.
3. Behauptet er, dass die Quellen der aktuellen Studien „z. T. aus dem ehemaligen Ostblock“ stammen, was einen völlig falschen Eindruck erweckt. Richtig ist, dass rund 38 Archive aufgesucht wurden,
von denen einige erst nach dem Zerfall der Sowjetunion für westliche Wissenschaftler zugänglich waren. Archive haben die Eigenart alte Originalquellen zu beherbergen, also im Kontext von Flick keine
kommunistische Propaganda, sondern alte Originaldokumente, wie Briefwechsel, Pressemitteilungen, Protokolle oder Gerichtsurteile des Flick-Konzerns, der Deutschen Reichsregierung oder von Gerichten.
Ernsthafte Wissenschaftler eines renommierten Instituts leisten sich ungern einen „Reinfall“ auf Fälschungen.
4. Ruft Herr Müller danach, es müsse „endlich Schluss sein (...) mit der sog. Aufarbeitung der Geschichte“. Mit dieser Forderung hat er nicht nur Kanzlerin Angela Merkel gegen sich, er widerspricht
auch seinem Parteifreund Bürgermeister Biermann, der in der WR zitiert wurde mit dem Satz : „Die Haltung, nie wieder darüber zu sprechen, halte ich für falsch”. Er ignoriert auch den bisherigen
politischen Konsens in Kreuztal, der vorsah, die Schüler des städt. Gymnasiums gerade wegen des Namens besonders intensiv mit der Geschichte des Dritten Reichs und der Verantwortung von Flick
auseinandersetzen zu lassen. Aus dieser Forderung es muss endlich Schluss sein, spricht eine innere Beziehungslosigkeit zu den Opfern des nationalsozialistischen Terrors, sie ist ein Schlag ins
Gesicht aller Opfergruppen, seien es Sklavenarbeiter oder Vertriebene.
5. Am schwersten wiegt wohl, dass Herr Müller sich in seinem Leserbrief des Begriffs der „Meinungsdiktatur“ bedient, ohne zu erläutern, was er damit genau meint. Er vergisst, dass er es war, der sich
bislang in der Debatte um das Friedrich-Flick-Gymnasium geduckt und verweigert hat. Herr Müller kann es nicht Meinungsdiktatur nennen, wenn er als CDU-Fraktionsvorsitzender Radio-, Fernseh- und
Pressejournalisten das Gespräch verweigert, diese aber dann trotzdem (nur eben ohne ihn) aus und über Kreuztal berichten. Herr Müller verkennt auch, dass sowohl der Kreuztaler Bürgermeister, Parteien
und Organisationen sowie die Autoren der Internetseite Flick-ist-kein-Vorbild mehrfach zur freien und öffentlichen Diskussion aufgerufen haben. Auch bei der Buchvorstellung in der Weißen Villa
bestand dazu eine weitere Gelegenheit, die Herr Müller versäumt hat. Insbesondere der letztgenannten Internetseite wurde auch von Gegnern einer Umbenennung bescheinigt, sachlich vorzugehen und
abweichende Meinungen zu akzeptieren. Herr Müller ist also aufgerufen seine Gründe gegen eine Umbenennung des städt. Gymnasiums endlich einmal öffentlich vorzutragen, weder die heimische Presse noch
die Macher der Seite Flick-ist-kein-Vorbild werden ihm verwehren seine Argumente zu veröffentlichen. Von Meinungsdiktatur kann keine Rede sein, eine Diskussion gewinnt man mit Argumenten, nicht mit
Schweigen. Und die müssen treffend sein – und sachlich.
Henning Klein, Albert-Nöll-Str. 44, 57078 Siegen für die BI Flick-ist-kein-Vorbild
In der Westfälischen Rundschau am Freitag, 5.9.08 als Leserbrief abgedruckt: Schulname sollte Leitbild und Programm sein:
In der Arte - Fernsehsendung „Das Symbol – Deutsche Schulnamen" vom 31.8.08 wurde die Hitliste der häufigsten deutschen Schulnamen vorgestellt:
1.Geschwister Scholl
2.Albert Schweitzer
3.Johann Wolfgang von Goethe
4.Friedrich Schiller
5.Theodor Heuss
6.Freiherr von Stein
7.Alexander von Humboldt
8.Erich Kästner
9.Anne Frank
10. Albert Einstein
Ein Schulname sollte zugleich Leitbild und Programm darstellen, was bei den genannten Namen wohl trefflich gelungen ist.Warum aber eine einzige der 36.237 deutschen Schule nach Friedrich Flick benannt wurde, einem Mann, dessen Vermögen zu einem beträchtlichen Teil auf die Ausnutzung von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg beruht, muss mir mal jemand erklären.
Eimo Enninga, Siegen